Hohenmölsen. Die jährliche Mitgliederversammlung des „Dachvereins Mitteldeutsche Straße der Braunkohle e.V.“ fand am 5. November 2021 im Bürgerhaus Hohenmölsen statt. Gegründet wurde der Verein mit zurzeit 47 Mitgliedern 1996 in Halle (Saale), doch die Festsitzung zum 25-jährigen Vereinsjubiläum soll erst am 25. Februar 2022 zur Buchpremiere von „Bergbau und Umsiedlungen im Mitteldeutschen Braunkohlenrevier“ begangen werden. Das rund 500 Seiten starke Buch entstand unter der Ägide von Prof. Dr. Andreas Berkner im engen Zusammenwirken mit der Kulturstiftung Hohenmölsen. Der Dachverein hat das Projekt in vielfältiger Weise begleitet und unterstützt.
Zur Mitgliederversammlung übernahm Prof. Dr. Andreas Berkner als Vorsitzender des Dachvereins die Begrüßung und den Revierbericht 2020/2021. Letzteren leitete er ein mit den Worten „Wir leben in außerordentlich bewegten Zeiten!“. Er bezog sich dabei auf das neue Kohleausstiegsgesetz und das neue Kohlestrukturstärkungsgesetz sowie die Diskussionen über das Austrittsjahr: Zunächst hieß es 2040, dann 2038, später 2035 und nun sei sogar 2030 im Gespräch. Durch die wechselnden Rahmenbedingungen seien (Regional-)Planer ständig zu Neuanpassungen gezwungen. Nach der Erläuterung verschiedener Projekte im Revier brachte er seine Freude darüber zum Ausdruck, dass die denkmalgeschützte Schachtanlage Paul II bei Deuben in Eigentümerschaft der LMBV – als nur noch einer von ursprünglich zwei Tiefbausachzeugen im mitteldeutschen Revier – gesichert und saniert werden soll. Und er würdigte die Zusammenarbeit mit der LMBV im Rahmen der dritten Informationsfahrt zur Braunkohlesanierung durchs mitteldeutsche Revier am 31. Mai 2021 sowie die neu erschienenen Sonderhefte „Sanierungsplanung Tagebau Espenhain“ (24) und „Sanierungsplanung Tagebau Zwenkau/Cospuden (25) aus der LMBV-Reihe „Wandlungen und Perspektiven“. Nach der Besprechung verschiedener Vereinsangelegenheiten wurde die turnusmäßige Neuwahl und Neukonstituierung des Vereinsvorstands durchgeführt. Alle bisherigen Vorstandsmitglieder bleiben in ihrem Amt: Vorsitzender: Prof. Dr. habil. Andreas Berkner, Stellvertreter: Andreas Ohse, Schatzmeister: Lienhard Müller und Schriftführer: Falk Hartig.
Es folgten zwei Fachvorträge. Den Beginn machte Eckhardt Müller, Seekoordinator, Arbeitsgemeinschaft Seen Nordraum Leipzig. Laut Prof. Dr. Andreas Berkner sei er der „Kümmerer vom Dienst“ und allen in der Region bekannt. Eckhardt Müller schilderte seinen langen beruflichen Werdegang vom Bergmann zum Planer zum Seekoordinator, der von vielen Zufällen geprägt war. Geboren wurde er in Wittenberg und kannte ursprünglich keinen Bergbau. Ab 1975 studierte er in Freiberg Tagebautechnik, danach kam das BKW Bitterfeld auf ihn zu und schickte ihn in den neu aufgeschlossenen Tagebau Delitzsch-Südwest, der scherzhafter Weise „Wildwest“ genannt wurde, weil zum Teil verrückte Sachen gemacht wurden, damit die Bahn rollte. Danach gab es einige berufliche Stationen in Leipzig, Aachen und Baden-Württemberg als Planer, bevor er 2005 die neue Stelle als Seekoordinator annahm. Seither formt er die „Landschaft nach der Kohle“ für den Nordraum Leipzig, und das seit 1,5 Jahren als Vollrentner.
Im Anschluss referierte Maik Simon, Leiter Kommunikation/Pressesprecher bei MIBRAG. Er zeigte auf, welche wirtschaftlichen und kommunikativen Herausforderungen MIBRAG zwischen Strukturwandel, Kohleausstieg und neuer Revierplanung zu bewältigen hat. Neben den zahlreichen Anpassungen im Unternehmen erläuterte er das für die Zeit nach der Kohle neu aufgelegte Projekt „Erneuerung MIBRAG im Revier“ (EMIR) auf Basis erneuerbarer Energien (Wind & Photovoltaik), Biomasse und stofflich verwertbarer Kunststoffabfälle zur Herstellung von Wasserstoff, Methanol sowie synthetischen Kraftstoffen. Gemäß Konzept sollen 500 Arbeitsplätze in der Region gesichert, eine Wertschöpfung vom 250 Mio. Euro pro Jahr in der Region geleistet und die Rekultivierung der Tagebaufolgelandschaft dauerhaft gesichert werden. Hier die derzeitigen Eckzahlen der MIBRAG-Gruppe: 352 Mio. Euro Umsatz, 2.390 Beschäftigte, 149 Auszubildende, zwei Tagebaue mit 40 Mio. m³ Abraum und 12 Mio. t Rohkohle, zwei Kraftwerke mit 408 GWh Elektroenergieabgabe und 273 GWh Wärmeabgabe, einer Staubfabrik und 127 t Staub.
Abschließend begaben sie die Teilnehmer der Mitgliederversammlung auf einen Rundgang vom Umsiedlungsstandort Südhang Hohenmölsen zur Stadtkirche St. Petri. In dieser sehenswerten Kirche sind u. a. alte und neue Holzreliefe zum „Gedächtnis unserer überbaggerten Kirchengemeinden“ in der Region zu sehen.
Hintergrund:
Die Mitteldeutsche Straße der Braunkohle verläuft mit ihrer Hauptroute vom Bergwitzsee bei Kemberg über Gräfenhainichen, Bitterfeld und Delitzsch nach Leipzig, weiter über Borna und Altenburg, Zeitz und Weißenfels zum Geiseltal und endet in Halle. Regionalrouten und Abstecher ergänzen das Konzept und erschließen Sehenswertes außerhalb der touristischen Brennpunkte.
Zur Straße der Braunkohle, deren Verlauf in ein überaus reiches kulturhistorisches Umfeld eingebettet ist, zählen aktuell 70 größere und insgesamt über 200 Bergbau-Sachzeugen vom Bagger bis zum Gedenkstein, die thematisch folgenden Komplexen angehören:
- Technik/Industriearchitektur (Tagebau-Großgeräte, Kraftwerke, Brikettfabriken, Bahnanlagen)
- Natur und Landschaft (geologische Aufschlüsse, Naturrefugien)
- Bildung (Museen, Dauerausstellungen, Lehrpfade, Aussichtspunkte)
- Siedlung (Archäologie, Bergarbeitersiedlungen, Gedenksteine, Umsiedlung)
- Sport, Freizeit, Erholung (Wassersport, Camping, Kohlebahn)
- Wasser (neue Seen, Stauanlagen, verlegte Flüsse, Gewässerverbunde)
Impressionen von der Veranstaltung (Fotos: LMBV/C. Hermann)