Gräfenhainichen. Die Bergbaufolgelandschaft des ehemaligen Tagebaus Golpa-Nord und der strukturelle Wandel in der Region Dübener Heide stand am 7. Juni 2022 im Mittelpunkt künstlerischen Interesses. LMBV-Projektmanager André Schönberg führte zusammen mit seiner Kollegin Claudia Hermann die Photokünstlerin Mika Sperling, die aus Norilsk, einer Bergbaustadt in Nordsibirien stammt, und den bolivianischen bildenden Künstler Daniel Mebarek an zentrale Orte der Sanierungstätigkeit von der Halbinsel mit den ehemaligen Tagebaugroßgeräten über den Mühlgraben und den Kunstpfad bis zum Gräfenhainicher Stadtbalkon. Neben der Tagebauhistorie und den einzelnen Arbeitsschritten vom Restloch bis zur Entstehung eines Sees wurden vor allem Aufforstung, Naturschutz, Überschusswasserableitung und Filterbrunnenverwahrung thematisiert.
Denn die Ressourcennutzung und der Umgang mit den Folgen rückt mehr und mehr in den Mittelpunkt künstlerischer Auseinandersetzung, wobei das Dokumentationspotenzial der Fotografie eine große Rolle spielt. Der Informationsaustausch war für alle Beteiligten inspirierend. Während sich Mika Sperling u. a. mit Traumatabewältigung in "unverbrauchten" Wäldern auseinandersetzt, arbeitet Daniel Mebarek mit Cyanotypie, einem Verfahren zur Herstellung fotografischer Bilder. Er interessierte sich besonders für Pflanzen, die zur Renaturierung von Tagebauen eingesetzt werden. Fortführend sind ein Informationsaustausch mit dem BUND in der Goitzsche-Wildnis sowie ein Besuch bei MIBRAG im Südraum Leipzig geplant.
Der sachsen-anhaltinische Kultur- und Kunstverein Kemberg hatte die beiden Künstler für die zweite Artist-in-Residence-Runde für Juni 2022 ausgewählt. Die Jury, die aus den Bewerbungen die Residenzkünstler ausgewählt hat, bestand in diesem Jahr unter anderem aus Jule Schaffer, Kustodin der Sammlung Fotografie des Kunstmuseums Moritzburg Halle, und Milena Carstens, leitende Fotoredakteurin des ZEIT Magazins. Das 2021 begonnene Projekt läuft unter der künstlerischen Leitung von Jan Stradtmann.
Hintergrund: Der Kultur- und Kunstverein Kemberg e.V. bei Wittenberg richtet in diesem und nächsten Jahr eine Künstlerresidenz unter dem Titel „Passage“ aus. Für vier Wochen sind eine Künstlerin und ein Künstler eingeladen, sich mit der Region der Dübener Heide vor Ort zu beschäftigen. Der Verein möchte damit nicht nur den Austausch zwischen Künstlern und Bewohnern fördern, sondern auch den Blick auf die Region lenken und den strukturellen Wandel aufzeigen. Denn die Änderung des Landschaftsbildes in den letzten Jahrzehnten sind maßgeblich geprägt von den sichtbaren Folgen des Braunkohleabbaus am westlichen Rand der Heide, die in Kontrast zum heutigen postindustriellen Landschaftsbild mit renaturierter Natur stehen.
Die ersten beiden Künstler waren Laura Pannack (Großbritannien) und Bert Villa (Belgien). Letzterer interessierte sich als Architekt im Besonderen für den Umbau der Landschaft in Folge des Tagebaus. Beide waren im November 2021 in der Region. Das Projekt wird durch das LEADER-Programm in der Dübener Heide unterstützt und erhält Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds.
Impressionen von der Befahrung: LMBV/Claudia Hermann