Rötha. DokMitt – das ist der Förderverein zum Aufbau des Dokumentationszentrums IndustrieKulturlandschaft Mitteldeutschland e.V. in Borna, der sich seit September 2015 unter der Ägide des früheren Leipziger Regierungspräsidenten Walter Christian Steinbach engagiert. Er möchte ein gemeinnütziges Zentrum zur Erforschung des Strukturwandels und zur Entwicklung von Zukunftsaussichten für die mitteldeutsche Industrie- und Bergbauregion etablieren. Das avisierte Dokumentationszentrum soll dabei als „Enzyklopädie Mitteldeutschlands“ fungieren und die mehrfach unter Beweis gestellte Fähigkeit der Region zur Transformation ergründen. Zu den vielbeachteten Projekten des Vereins gehören u. a. eine Zeitzeugenbefragung („Oral History“) sowie der Aufbau einer Bergbausammlung betreut durch das Sächsische Wirtschaftsarchiv e. V. Die neuesten Projektideen widmen sich speziell dem Standort Industrie- und Gewerbepark Espenhain an der Leipziger Straße, das durch die LMBV als Flächeneigentümerin vermarktet wird.
Um diese Visionen vorzustellen, lud der DokMitt-Verein am 24. Mai 2022 zu einem 1. Forum unter dem Titel „Das Werk Espenhain. Von der Dreckschleuder zum Innovationsstandort“. Während des Workshops im Volkhaus Rötha wurden den rund 50 Zuhörern konkrete Zukunftsvorschläge für den Industriestandort ‚Werk Espenhain‘ präsentiert:
- Ausgangspunkt für eine Internationale Bauausstellung (IBA) Impulsregion Leipzig zwischen 2025 und 2035,
- der Aufbau einer Holzindustrie basierend auf künstlicher Intelligenz plus Schaffung neuer nachhaltiger Arbeitsplätze sowie
- der Aufbau eines Industriell-soziokulturellen Zentrums in der TDE-Wagenhalle.
Der Workshop startete mit einer Darstellung des Entwicklungskonzepts des DOKMitt e.V. am Standort Espenhain und mit den Grußworten von Henry Graichen, Landrat Leipziger Land, und vom Schirmherr der Veranstaltung, Michael Kretschmer, das von Andreas Matthes, SMWA Dresden, überbracht wurde. Es folgten informative Vorträge über:
- die „Geschichte des Veredelungsstandortes. Potential für die Zukunft?“ von Peter Krümmel (Soziokulturelles Zentrum KuHstall e.V. und DOKMitt-Gründungsmitglied)
- „Das Holzbauzentrum. Intention und Perspektive“ von Dr. Matthias Reuschel (AG Holzbauzentrum, Fa. S&P Gruppe Leipzig) und
- die „IBA Impulsregion Leipzig“ von Ulrike Rothe (IBA Thüringen und Brandenburg), wobei letzterer auf die IBA Fürst-Pückler-Land im Lausitzer Braunkohlerevier zwischen 2000 und 2010 unter Leitung von Prof. Rolf Kuhn verwies.
Moderiert wurde die Veranstaltung von Prof. Dr. Markus Krabbes (Rektor der Hochschule Merseburg und DOKMitt-Gründungsmitglied). Während der sich anschließenden Podiumsdiskussion kamen zu Wort:
- Ronny Zienert (Sächsisches Ministerium für Regionalentwicklung),
- Dr. Nils Schinker (Landesamt für Denkmalpflege Sachsen),
- Jörg Kelkenberg (LMBV, Abteilungsleiter Flächenmanagement Mitteldeutschland),
- Dr. Sören Glöckner (Holzbau Kompetenz Sachsen GmbH),
- Jens Buchwald (TDE Mitteldeutsche Bergbau Service GmbH) und
- Pablo Wendel (Kulturzentrum EWerk Luckenwalde).
Von besonderem Interesse war dabei die beispielhafte Darstellung des Künstlers Pablo Wendel, wie er das 1913 errichtete und nach 1989 stillgelegte Lausitzer Braunkohlenkraftwerk Luckenwalde 2019 als nachhaltiges Kunststrom-Kraftwerk und als Zentrum zeitgenössischer Kunst wiederbelebte. Der nun aus Holzabfällen produzierte „Kunststrom“ aus dem E‑Werk wird in das öffentliche Netz eingespeist.
Der Wille zur Revitalisierung des heutigen IGP als Objekt der Industriekultur zeigte sich sowohl in den zahlreichen Redebeiträgen als auch in der dem Workshop vorangegangenen Fußexkursion mit rund 25 Teilnehmern auf den Flächen des Industrie- und Gewerbeparks (IGP) Espenhain.
Die Begehung hatte begonnen auf dem Gelände von TDE Mitteldeutsche Bergbau Service GmbH, einer 1991 gegründeten Sanierungsgesellschaft und heutigem Dienstleister für Bergbauunternehmen, die von Anfang an erfolgreich war. Zum Auftakt erinnerte Uwe Bruchmüller (ehemals IG BCE und DokMitt-Gründungsmitglied) an den Bergbau und die Umweltfolgen in der Region, an die 1.400 Bomben, die auf diesen Standort fielen, aber auch an die etwa 8.000 Beschäftigten im Werk und im Tagebau um 1990. Er wünschte sich künftig Wertschöpfung in Form eines klugen Strukturwandels, indem Altes durch Neues ergänzt wird. Walter Christian Steinbach wiederum berichtete vom Umweltseminar 1980, von der Erfindung der symbolischen Aktion „Eine Mark für Espenhain“ und den 100.000 Unterschriften, die bis zur politischen Wende gesammelt worden waren. Mehrfach wurde von den Anwesenden daran erinnert, dass am 27. August 1990 der – deutschlandweit – letzte Schwelofen abgeschaltet worden war.
Die Begehung verlief weiter entlang der industriearchitektonisch wertvollen Verwaltungsgebäudes vom ehemaligen Braunkohlenveredelungswerk, bei der der rege Zuspruch bei den Flächenverkäufen in den letzten 20 Jahren sowohl seitens LMBV als auch Wirtschaftsförderung thematisiert wurde. Claudia Hermann fasste zusammen, wie der Standort Mitteldeutscher Industriepark Espenhain mit zunehmendem Sanierungsfortschritt neu belebt wurde und wie das Angebot an vermarktungsfähigen Immobilien in den letzten Jahren abnahm. Dr. Nils Schinker wiederum erläuterte am Beispiel der denkmalgeschützten ehemaligen Schaltwarte und des Hauptverwaltungsgebäudes, welch nachhaltiges Potenzial in den Hinterlassenschaften des Bergbaus steckt. Die Fußexkursion endete mit einer Besichtigung der Wagenhalle von TDE, die künftig als Raum für Kultur und Kunst dienen könnte.
Weitere Informationen zum Förderverein sind zu finden unter https://dokmitt.de/. Zum erweiterten beratenden Vorstand gehören Almuth Götz (ehemals LMBV) und Prof. Dr. Andreas Berkner (Regionaler Planungsverband Leipzig-Westsachsen).
Impressionen vom Workshop und von der Begehung: LMBV/Claudia Hermann